von Anette Martin
Seit Wochen beschäftigt ein Gebäude im nördlichen Gewerbegebiet die Öffentlichkeit und die Gemeindepolitik. Da wurde auf einmal ein Bürohaus zum Politikum und zum negativen Lehrstück über moderne Ausbeutung. Was ist passiert? Eine im Raum München tätige Firma hat widerrechtlich 150 Personen, darunter 10 Familien mit minderjährigen Kindern, in dem Gebäude untergebracht. Sie verlangte von den osteuropäischen Mietern horrende Mieten für Räume, die nicht einmal den einfachsten Standards genügen. Der Bauausschuss hat der nachträglichen Nutzungsänderung von Büros in einen Beherbergungsbetrieb nicht zugestimmt und das Landratsamt aufgefordert gegen die bereits aufgenommene und widerrechtliche Nutzung vorzugehen. Der Vermieter kündigte allen Mietern mit einer Frist von drei Wochen. In der zweiten Maiwoche stand noch nicht fest, was mit den Personen geschehen wird. Ich denke, jeder von uns kann sich in diese bedrohliche Situation hinein versetzen; ohne Dach über dem Kopf in einer Region, in der erschwinglicher Wohnraum zur Mangelware Nummer eins aufgestiegen ist. Vor unser aller Augen wurden jetzt auch in Eching die Auswüchse in der Geschäftswelt sichtbar. Der Eigentümer des Gebäudes vermietet das Bürogebäude gegen gutes Geld an eine GmbH mit dubiosen Geschäftsmethoden: die zunehmende Wohnungsnot im Ballungsraum München wird dahingehend ausgenutzt, dass in der Regel ungeeignete Bürogebäude „umgewidmet“ und zu horrenden Preisen kleinste Räume vermietet werden. Viele „europäische Wanderarbeitnehmer“ und auch ihre Familien sind froh, wenigstens so ein Dach über den Kopf zu bekommen. Sie lassen sich ordentlich bei der Gemeinde registrieren. Der Gemeinde fällt nicht auf, dass sich über Wochen weit über hundert Personen an einer Adresse anmelden. Das ist schwer verständlich. So wird das Problem erst öffentlich, weil sich Nachbarn beschweren und das Baurecht verletzt wird. Was ist zu tun? Zu allererst muss den betroffenen Menschen geholfen werden, d.h. sie müssen wieder zu Wohnraum kommen. Einzelne Personen und Gruppen haben sich bereits für sie stark gemacht. Auch die SPD-Fraktion hat Kontakt aufgenommen mit dem Jugendamt und dem Diakonischen Werk Freising. Zudem ist zu überlegen, ob nicht auch rechtliche Schritte gegen den Vermieter unternommen werden können. Und der Vorfall zeigt uns auf kommunaler Ebene vor allen Dingen eins: Wir brauchen mehr erschwinglichen Wohnraum. Hier kann und muss die Gemeinde tätig werden. In den nächsten Baugebieten müssen Sozialer Wohnungsbau neben genossenschaftlichem Bau und der Schaffung günstigen Wohneigentums verwirklicht werden.
Anette Martin, Fraktionsvorsitzende