"Solidarisch ist man nicht alleine!"
Unter dieses Motto hatte der DGB in diesem Jahr seine Maikundgebungen gestellt. Wobei es Kundgebungen im herkömmlichen Sinne ja gar nicht gab. Die Corona-Pandemie hat auch vor den Gewerkschaften und dem Tag der Arbeit, dem weltweit größten Fest der Solidarität, nicht Halt gemacht. Abstand halten, war die Devise.
Recht hatte der DGB dennoch. Alleine kann man nicht solidarisch sein. Solidarität kann man üben oder auch erfahren, aber immer ist dazu mindestens noch ein weiterer Mensch nötig, mit dem man sich solidarisch erklärt oder von dem man selbst Solidarität erfährt.
Solidarität ist auch bei räumlichem Abstand möglich und in der Gegenwart besonders nötig. Die Solidarität der Gesellschaft brauchen insbesondere diejenigen, die von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie besonders betroffen sind, die um ihre Gesundheit fürchten, ihre Existenzgrundlage gefährdet sehen, von Kurzarbeit oder Geschäftsaufgabe bedroht sind. Solidarität und Dank gilt all denen, die uns tagtäglich – mit hohem Risiko für die eigene Gesundheit – vor dem Virus schützen, unsere Versorgung gewährleisten und die öffentliche Sicherheit aufrechterhalten. Nicht gerecht werden wir den Problemen, wenn wir unter dem Druck des Ausnahmezustands unsere Sozial- und Umweltstandards angreifen. Wem sollte das dienen? Der Virusbekämpfung sicherlich nicht. Tarifverträge, Arbeitsschutz, Arbeitszeitregelungen und Mitbestimmung stehen nicht zur Disposition – auch die ökologischen Standards nicht.
Wenig solidarisch ist das Verhalten mancher Unternehmen/ Unternehmer, wenn sie einerseits gesellschaftliche Unterstützung einfordern (Kurzarbeitergeld, Steuersenkungen, Steuerbefreiungen, Tarifzurückhaltung, Abkehr von Sozial- und Umweltstandards …) und gleichzeitig Milliardengewinne an die Firmeneigner ausschütten. Bei BMW in diesem Jahr z. B. 1,6 Milliarden Euro. Da hilft auch der Hinweis nicht, dass das ja Gewinne aus dem vergangenen Geschäftsjahr seien. Wofür sind denn Gewinne da, wenn nicht zur Überbrückung von Krisensituationen?
„Solidarisch ist man nicht alleine“, gilt auch mit Blick auf Europa. Das Virus kennt keine Grenzen. Die EU kann aus der Krise gestärkt hervorgehen, wenn wir tatsächlich zu solidarischem Handeln finden. Wenn wir die Brille der Nationalstaaten durch die EU-Brille ersetzen und die Regierungen ihre Maßnahmen miteinander abstimmen. Ein noch weiteres wirtschaftliches Auseinanderdriften schadet bei der intensiven Verflechtung der europäischen Volkswirtschaften letztendlich allen Ländern.
Nationalisten in ganz Europa und darüber hinaus versuchen, das Virus als Spaltpilz zu missbrauchen. Sie schüren die Angst vor „dem Fremden“, vor der vermeintlichen Bedrohung von außen. Sie setzen Verschwörungstheorien in die Welt und haben ganz schnell „Schuldige“ zu bieten.
Beobachten lassen sich aber auch kreative Formen der Solidarität: Nachbarschaftshilfen, Einkaufsgemeinschaften oder Jugendorganisationen, die Hochrisiko-Gefährdete unterstützen. Künstler*innen zeigen ihre Werke im Netz, Museen öffnen virtuell, Schulen entwickeln innovative Lehrmethoden.
Solidarisch ist man nicht alleine!